Das ist Ben! Ben ist 2,5 Wochen alt! Ben wäre eigentlich jetzt schon nicht mehr am Leben. Wir lernten ihn kennen als sein Schicksal schon besiegelt war. 5 Tage später sollte er abtransportiert werden zum Schlachthof, alternativ erst 6 Monate in die Mast nach Holland und dann zum Schlachthof. Als Kälbchen einer Milchkuhrasse, die kaum Fleisch ansetzt ist er nämlich ein Abfallprodukt der Milchwirtschaft!
Die Kühe werden künstlich besamt, denn sie müssen Nachwuchs geboren haben um auch Milch zu produzieren, genau wie wir. Wenn die Kuh gekalbt hat, wird ihnen das Kalb weggenommen und separat gesetzt. Das Schreien ist kaum auszuhalten. Die Mutterkuh versucht verzweifelt sich loszureißen, um zu ihrem Kalb zu gelangen und das Kälbchen schreit tagelang nach der Mutter. Wenn es ein weibliches Kälbchen ist, wird es aufgezogen, um dann später selbst als Milchkuh zu dienen.
Ein Bullenkälbchen hingegen ist nutzlos, ein überflüssiges Nebenprodukt der Milchindustrie. Es lohnt sich nicht ihn aufzuziehen, denn er wird ja keine Milch geben und rassebedingt wird er auch lange nicht so viel Fleisch ansetzen wie ein Kalb einer Fleischrasse in der Mast. Dieses unschuldige kleine Wesen ist nur wertloser Abfall!
Den ersten Tag gelang es mir noch an ihm vorbeizugehen und ihn nur aus den Augenwinkeln wahrzunehmen. Den nächsten Tag riskierte ich doch einen Blick, aber vermied ihm in die Augen zu sehen. Wohl wissend, dass in ein paar Tagen sein Schicksal besiegelt sein wird. Obwohl wir vegan leben, fühle ich mich immer noch schuldig. Schuldig, weil ich jahrelang gedacht habe, dass die Milch von glücklichen Kühen kommt, die ja so oder so Milch geben. Was aber als Nebenschauplatz passiert, wird ignoriert und auch nicht besonders öffentlich gemacht. Wir haben angefangen uns damit auseinanderzusetzen und da wurde uns klar, dass wir nicht länger so ein Leiden in Auftrag geben möchte.
Am nächsten Tag war es wie ein Magnet. Ich kam nicht mehr an Ben vorbei, mit seinem Silberblick und seinem schiefen Köpfchen, wohl aufgrund einer schweren Geburt die er hatte. Er ging mir nicht mehr aus meinem Kopf. Nachdem Michael ihm auch sofort verfallen ist, fiel die Entscheidung. Wir haben Ben gekauft und gegen monatliche Patenschaft darf er dort auf dem Hof weiterleben.
Und ganz ehrlich, ich bin im Rahmen unserer Katzenkastrationsaktionen schon einigen Kälbchen begegnet. Ich hab sie gestreichelt ... in Gedanken versunken ... getrauert … wütend geworden ... mich zusammengerissen, obwohl mir eher danach war hysterisch zu werden und nur ganz laut zu schreien, aufzustampfen wie ein kleines Kind ...
Und dann doch mein Herz lahmzulegen, der wie ein glühendes Eisen in meiner Brust nach Gehör schrie .... ich kann sie nicht alle retten … ich kann es nicht verhindern ... es ist uferlos ...
„Schau weg, wie die meisten anderen!!“ sage ich zu mir, „dann lebt es sich leicht und unbeschwert“
Aber ich kann es nicht … besser gesagt - nicht mehr ...
Dazu habe ich viel zu viel gesehen. Viel zu viel hautnah erlebt. Viel zu viel erfahren, was viele lediglich aus dem Fernsehen kennen und dann schnell umschalten, damit es ihnen den Appetit nicht verdirbt.
Ich kann sie nicht alle retten .... Aber ich kann für sie sprechen ... ihnen eine Stimme geben ... andere auf sie aufmerksam machen ... Und für all diese anderen, die millionenfach für einen Gaumenkick leiden und sterben müssen - für sie alle steht symbolisch nun
BEN
Er muss nicht sterben! Nun kann ich ihn mit einer tiefen Erleichterung und innerem Frieden anschauen, streicheln und lieben. Ben wird natürlich nicht zu uns ziehen sondern auf dem Hof bleiben. Das Tier Refugium ist nicht auf Kühe eingestellt, zumal er ja nicht alleine aufwachsen soll. Da wo er jetzt ist, hat er seine Artgenossen und kann auch in der Herde bleiben wenn er ein bisschen älter ist.
Antonia Greco