Heute blutet mein Herz so fürchterlich, dass ich ein paar persönliche Worte loswerden möchte. In dem fast vergangengen Jahr 2015 in dem wir sehr viele Seelchen gehen sehen mussten, haben wir uns bei jedem immer wieder aufs Neue gefragt, wie lange wir das noch aushalten können. Auch immer wieder gesagt, dass wir es nicht mehr können, nicht mehr wollen und wir daran zerbrechen würden. Und doch war es uns ein innerer Antrieb, der uns immer wieder gerade die besonders schweren und dramatischen Fälle aufnehmen lies.
Leo war ein ganz besonderer Fall für mich. Habe mich mit Tierarzt, THP, CNI-Gruppen und anderen Vereinen beratschlagt, mein Herz ausgeschüttet und am meisten gehofft. Genauso intensiv habe ich mich gefragt, ob ich nicht damit sein Leiden verlängere. Habe ihn immer wieder ewig beobachtet und immer und immer wieder gefragt, was nun das Richtige ist. Auf wen hört man? Auf Tierarzt? Auf den Verstand? Auf das Herz? Letztendlich habe ich auf Leo gehört.
Leo kam als ein Häufchen Elend bei uns an. Konnte sich kaum auf den Beinen halten, war völlig verfilzt und stank fürchterlich. Als er auf Station stabilisiert wurde und er dann nach Hause durfte, bekam er neben den täglichen Infusionen und Medikation auch Stück für Stück vorsichtige Körperpflege. Leo zeigte Lebenswillen, interessierte sich für seine Umgebung und schon bald war er in den Ritualen integriert. Ein neues Zuhause wurde uns schon bald von Gabriele angeboten, die über ganz große Katzerfahrung, insbesondere nierenkranke Katzen verfügt. Bei gemeinsamen Telefonaten haben wir abgesprochen, dass sobald Leo richtig stabilisiert ist, er den Stress eines erneuten Umzuges auf sich nehmen kann. Möchte daran erinnern, dass Leo seit ca 2 Jahren ohne Zuhause in Gärten, Straßen etc leben musste, weil seine ehemaligen Besitzer ihn bei einem Umzug zurückgelassen haben. Es hätte Leo das Leben retten können, wenn alle, die ihn gefüttert und beobachtet haben, viel eher an eine Organisation übergeben hätten. Es mag nun wie eine Anklage klingen. Aber ich möchte damit die Menschen sensibilisieren und ihnen damit erklären, dass füttern alleine oft nicht ausreicht. Leo war seit Jahren nierenkrank und durch seine vereiterten Zähne liesen ihn immer weniger fressen. Unsagbare Schmerzen müssen ihn geplagt haben.
Warum ich soviel dazu schreibe? Ich möchte erklären, warum wir nie kurzen Prozeß mit den uns anvertrauten Notfällen machen. Nicht selten bekommen wir zu hören: " der quält sich nur", " das Geld kann man in hoffnungsvollere Fälle stecken", " denkt doch an das Tier"... Doch genau das machen wir- wir denken an das Tier. An jeden Einzelnen ganz persönlich und vergleichen ihn nicht mit anderen ähnlichen Fällen. Wir kennen einen Teil der Vorgeschichte, wägen Befunde ab und beratschlagen uns und ich wiederhole mich- wir schauen in ihren Augen. Leo hat gezeigt, dass er noch bereit ist mitzumachen. Er hat mich sogar noch beim Putzen begleitet und mich dabei beobachtet. Habe ich ihn angesprochen, hat er mich angemiaut. Liebte gestreichelt zu werden. Schlief am liebsten in seiner Kuschelhöhle. Nur eines mochte er nicht- er mochte nicht auf den Arm. Darum habe ich in seinen letzten Stunden heute Nacht, auf dem Boden gelegen, ihn da gelassen, wo er sich scheinbar am wohlsten fühlte, ihn gestreichelt und ihm gezeigt, dass er wenigstens jetzt nicht allein gelassen wird. In Wärme, vollem Bauch und mit einer liebevollen Hand hat seine letzten Atemzüge gemacht. Ich hoffe, dass ich dadurch wenigstens ein bisschen wieder gut machen konnte, was er in den letzten Jahren entbehren musste. Diese Tage, in der so eine geschundene Seele noch an positiven Erlebnisse sammeln darf, sind Grund genug sie nicht zu schnell aufzugeben. Trotz Krankheit ! Denn wer vermag schon zu sagen, ob sie sich nicht doch noch erholen?
Trotz allem Schmerz- ich würde es immer wieder tun. Danke Leo, für die kurze Zeit, in der ich Dich begleiten durfte.Du hast mir wieder sehr viel beigebracht. Gute Reise, Leo !
(Antonia Greco)